Eine Kanzlei ohne ReFas

Verfasst von Sascha Matowitsch

Eine Kanzlei ohne Rechtsanwaltsfachangestellte

Die Rechtsanwaltsfachangestellten als Herzstück der Kanzlei

Kann eine Rechtsanwaltskanzlei ohne Rechtsanwaltsfachangestellte funktionieren? 
Führt eine solche Kanzleiorganisation automatisch zu einem Chaos? Weshalb Rechtsanwaltsfachangestellte für einen reibungslosen Kanzleiablauf unerlässlich sind, erfährst Du hier.

Alles auf Anfang 

Die Berufsbezeichnung „Rechtsanwaltsfachangestellte“ existiert erst seit 1995. Zuvor trug das Berufsbild den Namen „Rechtsanwaltsgehilfe/in“. Die Neubezeichnung des Berufs sollte vor allem zu dessen Aufwertung und einem gesteigerten Ansehen in der Bevölkerung führen – denn das Wort Fachangestellte:r assoziieren wohl mehr Menschen mit Kompetenz als das Wort “Gehilfe”. Aber – Begriff hin oder her – eines ist sicher: Der Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten ist jedenfalls von dem Beruf der Juristen:innen nicht wegzudenken. Die eigenständige Organisation der Kanzlei neben der Aktensachbearbeitung kann - wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden - nur in den wenigstens Fällen gelingen. 

Kanzlei ohne Rechtsanwaltsfachangestellte 

In der Rechtsanwaltskanzlei geht es – wie in den meisten Unternehmen – darum, Betriebsausgaben möglichst gering zu halten. Der Gedanke, dass am Büropersonal gespart werden könnte, ist für viele daher naheliegend. Insbesondere im digitalen Zeitalter könnte die Annahme gerechtfertigt erscheinen, möglichst viele Aufgaben an ein virtuelles Sekretariat abzugeben. Spielen wir diesen Gedankengang aus Sicht einer Rechtsanwaltsfachangestellten anhand eines Kanzleialltages durch:

Rechtsanwaltsfachangestellte müssen bereits früh am Morgen Disziplin beweisen, denn meist sind sie die ersten in der Kanzlei. Der Anrufbeantworter muss abgehört, der Mandantenbesuch empfangen und Telefongespräche, die potenzielle neue Mandaten bedeuten können, entgegen genommen werden. Zu Recht könnte man hier einwenden, dass auch Rechtswanwält:innen in der Lage sein werden, diverse Telefongespräche selbst anzunehmen. Das ist richtig – doch was ist zu tun, wenn während eines Termins ein Telefonat eingeht? Es zeugt schließlich von Unprofessionalität, das Mandantengespräch abzubrechen, um ein Telefonat entgegenzunehmen. Im schlimmsten Fall kann dies sogar dazu führen, dass Mandant:innen die Kanzlei nicht noch einmal mandatieren werden. Wirft man einen Blick auf Google-Bewertungen zahlreicher Kanzleien, so wird deutlich, dass bereits das Warten im Wartezimmer von vielen Mandant:innen als unzumutbar empfunden wird.

Doch natürlich unterstützen Rechtsanwaltsfachangestellte Rechtsanwältinnen nicht nur durch die Betreuung des Telefons. Sie übernehmen eine Reihe weiterer wichtiger Aufgaben:
 

  • Postein- und ausgangsbearbeitung 
  • Fristen und Terminmanagement 
  • Akten- und Stammdatenpflege 
  • Einholung von Auskünften
  • Erteilung von Zwangsvollstreckungsaufträgen
  • Buchungen von Forderungskonten
  • Weiterleitung von Fremdgeld
  • Abrechnungen der Akten
  • Erstellen von Kostenfestsetzungsanträgen
  • Materialbestellungen etc.


Natürlich könnte man viele Teile der oben genannten Bereiche auch an ein virtuelles Sekretariat abgeben, das sich um die kaufmännischen Aufgaben kümmert. Doch würde dies mehr Aufwand und Risiko als Nutzen bedeuten. Eine Vertrauensbasis zwischen Rechtsanwältin:innen und einem virtuellen Sekretariat ließe sich in dieser Weise im haftungsrechtlichen Sinn kaum überzeugend begründen. Aus eigener Erfahrung merkt darüber hinaus der Anrufer, dass am anderen Ende des Hörers jemand sitzt, der in die Kanzleistrukturen nicht eingebunden ist. 
Und: Nicht nur durch das Telefon können neue Mandate in die Kanzlei „flattern“. Auch im Rechtsanwaltsbereich ist die Bedeutung von Laufkundschaft nicht zu unterschätzen. Insbesondere für Rechtsanwält:innen mit unmittelbarem Sitz am Amtsgericht können Mandate mit einem frisch geholten Beratungshilfeschein verloren gehen. Sicherlich sind das nicht die Mandate, die „das große Geld“ bringen. Gleichwohl schließt sich häufig an die beratende Tätigkeit ein gerichtliches Verfahren an, in welchem Prozesskostenhilfe gewährt werden könnte. Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass diese Mandate eine Empfehlung der eigenen Kanzlei an Dritte weitergeben. Hier gilt die Devise: Kleinvieh macht auch Mist! 

Auch eine bloße Verfügung der Rechtsanwält:innen, ein Schriftstück an die Mandantschaft zur Kenntnisnahme zu übermitteln, reicht ohne Rechtsanwaltsfachangestellte nicht aus. Ohne Rechtsanwaltsfachangestellte vor Ort können Eilsachen nicht sofort bearbeitet werden. Vielmehr sind Rechtsanwält:innen in diesem Fall selbst dafür verantwortlich, auch diese Aufgaben zu übernehmen. Das Ergebnis: Die Wege werden nicht kürzer, sondern insgesamt länger. Für die genannten Aufgabenbereiche können gut mehrere Arbeitsstunden vergehen, ohne dass Rechtsanwält:innen mit ihrer eigentlichen Arbeit, der Sachbearbeitung, angefangen haben.

Denn auch “kleine Nebenbereiche”, wie beispielsweise das Bearbeiten von Fristsachen oder das Fertigen und Korrekturlesen von Schriftsätzen oder Postsendungen, die die Kanzlei nicht nur virtuell verlassen müssen, fressen am Ende des Tages viel Arbeitszeit und stören den Konzentrationsfluss. Je mehr Aufgabenbereiche Rechtsanwält:innen selbst übernehmen (müssen), desto fehleranfälliger sind sie. Für die eigene Kanzlei sowie auch für die Berufshaftpflicht steht dieser Preis in keinem Verhältnis. 

Der Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten ist jedenfalls von dem Beruf der Juristen:innen nicht wegzudenken.

An Wichtigkeit nicht zu unterschätzen

Die vorangegangenen Beschreibungen zeigen deutlich: Ein Arbeitsalltag in einer Kanzlei ohne Rechtsanwaltsfachangestellte könnte ganz schön chaotisch aussehen. Sicherlich wäre es für Einzelkämpfer:innen mit entsprechender Organisation möglich, einen Arbeitsalltag auch ohne Rechtsanwaltsfachangestellte zu organisieren. Doch zu welchem Preis? Je mehr – auch komplexe – Angelegenheiten auf Rechtsanwält:innen zukommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler gemacht werden, die für einen Abgang von Fällen ursächlich sein könnten. Damals wie heute genießen  Rechtsanwaltsfachangestellte aufgrund ihres organisatorischen und fachlichen Geschicks bei den Rechtsanwält:innen ein hohes Ansehen. Denn: Mit fundierten Kenntnissen von Rechtsanwaltsfachangestellten lässt sich nicht nur die Arbeitsqualität der Rechtsanwält:innen verbessern, sondern die der ganzen Kanzlei.

Als Herzstück der Kanzlei nehmen Rechtsanwaltsfachangestellte Rechtsanwält:innen viele Teile des Kanzleialltages ab und unterstützen in vielen weiteren Bereichen. Die fachlichen und organisatorischen Fähigkeiten von Rechtsanwaltsfachangestellten wird ein digitales Produkt nicht ersetzen können.

Aktuelle Stellenangebote für ReFas

Personalmangel trotz Wichtigkeit! 

Seit mehreren Jahren ist ein rückläufiger Trend der neu abgeschlossenen Berufsausbildungsverträge der Rechtsanwaltsfachangestellten zu beobachten, wie der nachstehende Vergleich* zeigt:
 

2018 2019 2020 2021 2022
3.113 3.074 2.697 2.570 2.314

*Quelle: BRAK, Neu abgeschlossene Ausbildungsverhältnisse 1998-2022, zum 30.09. des Jahres


Der Abgang neu abgeschlossener Berufsausbildungsverträge führt früher oder später dazu, dass den Rechtsanwaltskanzleien das Personal ausgeht. Die Rechtsanwaltskammern haben bereits reagiert und versucht, durch Anpassung der Empfehlung der Ausbildungsvergütung nach oben diesem Problem entgegenzuwirken. Doch die heutige Generation zeigt auf, dass Geld nicht das „einzig Wahre“ ist. Viele junge Menschen legen großen Wert auf ein ausgewogenes Arbeitsverhältnis mit persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten

Die BRAK „tüftelt“ derzeit gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein an einer Renovierung der Rechtsfachwirtverordnung. So könnte von der seit 2020 in den §§ 53 ff. BBiG bestehenden Möglichkeit, weitere Fortbildungsstufen einzuführen (Berufsspezialist, Bachelor Professional und Master Professional) Gebrauch gemacht werden. Hierdurch soll das Berufsbild der Rechtsanwaltsfachangestellten attraktiver gemacht werden. Wann dies umgesetzt wird, ist noch offen.

Eine Rechtsanwaltskanzlei ohne Rechtsanwaltsfachangestellte ist zwar nicht unmöglich, allerdings nicht zu empfehlen.  Zu viele Nebenarbeiten rauben Rechtsanwält:innen Zeit, die sie mit ihren Kernaufgaben verbringen sollten – was im schlimmsten Fall zu Umsatzeinbußen und Haftungsfallen führen kann. Mit ihrem organisatorischem und fachlichen Geschick sorgen Rechtsanwaltsfachangestellte für einen reibungslosen Kanzleiablauf und tragen dabei erheblich zum Erfolg einer Kanzlei bei.