Rechtsanwaltsfachangestellte im Homeoffice

Verfasst von Sascha Matowitsch

Rechtsanwaltsfachangestellte im Homeoffice

Arbeiten von zu Hause aus!

Die Corona-Pandemie hat die Rechtsanwaltskanzleien gezwungen, umzudenken. Vor wenigen Jahren war die Vorstellung, dass Rechtsanwaltsfachangestellte von zu Hause aus arbeiten, in weiter Ferne und nicht ansatzweise realistisch. Denn die klassischen Arbeiten waren vielerorts nur in den Kanzleiräumen ausführbar. Wir zeigen Dir, welche Hintergründe diese Gedanken geprägt haben, was sich geändert hat und wie das Homeoffice ausgestaltet werden kann. 

„Die Mitarbeiter müssen in der Kanzlei präsent sein!"

An dieser Aussage ist durchaus etwas dran: Rechtsanwälte sind Dienstleister. Ein unbelebtes Büro wirkt in der Außenwelt als wenig erfolgreich. Aber nicht nur der Eindruck nach außen zählt. Telefonate müssen entgegengenommen werden, die Postein- und -ausgänge müssen bearbeitet werden und insbesondere im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist der Originalvollstreckungstitel unabdingbare Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung, der zu Hause ja fehlt. Das gesamte Zwangsvollstreckungsverfahren kann also nicht ohne dieses Original durchgeführt werden. Der gesamte organisatorische „Kram“ würde also im Homeoffice auf den Volljuristen übertragen. Da kann schon die Frage auftreten: Wozu braucht der Volljurist dann Büropersonal? 

Fortschritt nutzen – Klischees ablegen!

Doch es ist an der Zeit, umzudenken. Mit Ausnahme eines Anwaltsnotariats finden immer weniger Besprechungen vor Ort in den Kanzleiräumen statt. Speziell bei klaren Sachverhalten, wie z.B. den Ansprüchen wegen Flugverspätungen aus der Fluggastrechteverordnung, ist eine Besprechung mit dem Mandanten nicht erforderlich. Es reicht, wenn der Mandant den Sachverhalt z.B. durch Ausfüllen einer Maske und Übersendung der Belege schildert. Der Gesetzgeber hat dem Homeoffice (unbewusst) auf die Sprünge geholfen, indem er die aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) eingeführt hat. Schriftsätze in beglaubigter und einfacher Abschrift, versehen mit dutzenden Anlagen müssen also weder ausgedruckt noch müssen die Schriftsätze von dem Volljuristen unterzeichnet werden. Der Versand erfolgt elektronisch. Das Argument mit der Zwangsvollstreckung hat ebenfalls kein überragendes Gewicht mehr. Das Gesetz sieht in §§ 754a, 829a ZPO vor, dass der Titel entbehrlich ist, sofern es sich um einen Vollstreckungsbescheid handelt, dessen ergebende fällige Geldforderung einschließlich titulierter Nebenforderungen und Kosten nicht mehr als 5.000,00 € beträgt. Über eine Remote-Verbindung lässt sich von zu Hause aus auf das Kanzleisystem zugreifen. Telefonieren ist ohne Weiteres mittels Rufweiterleitung oder anderen Systemen möglich. Die Rechtsanwaltskanzleien erreichen zudem immer weniger Postsendungen, sodass im Laufe der Zeit auch das Einscannen entbehrlich sein wird. Derzeit ist jedoch erforderlich, dass die Post wenigstens durch eine Fachkraft eingescannt wird – denn der Rechtsanwaltsfachangestellten wird die Post logischerweise nicht nach Hause gesandt.

Kanzleialltag in der Corona-Krise

Nicht nur „bloße“ Wirtschaftsunternehmen waren faktisch gezwungen, ihren Büroalltag auf den Kopf zu stellen. Viele Rechtsanwaltskanzleien waren bemüht, ihre Mitarbeiter zu schützen. Der Schutz setzte jedoch voraus, dass sich so wenig wie möglich Mitarbeiter in der Kanzlei aufhielten. Weniger Personal bedeutete allerdings eine Mehrbelastung der in der Kanzlei verbliebenen Mitarbeiter – denn die Akten und Fristen haben sich durch die Pandemie nicht in Luft aufgelöst. Das Homeoffice musste her! Technisch gut aufgerüstete Kanzleien haben ihren Rechtsanwaltsfachangestellten dies ermöglichen können. So waren die in der Kanzlei verbliebenen Mitarbeiter dafür verantwortlich, die ortsgebundenen Tätigkeiten zu erledigen, z.B. Post einscannen etc. Korrespondenz, die per Post versandt werden musste, wurde im Homeoffice erstellt, in den digitalen Postkorb der Kollegin gesandt, von dort ausgedruckt und schließlich in die Post gegeben. Vor allem während des Lockdowns hat das Teamplay zwischen Home & Office hervorragend funktioniert. Ein Wechselmodell sorgte für eine faire Verteilung der Tätigkeiten.

Nach der Krise alles wieder beim Alten?

Nein! Denn der plötzliche Umschwung ins Homeoffice hat gezeigt, dass das Wechselmodell exzellent funktionieren kann, wenn die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Es ist zu beobachten, dass in immer mehr Stellenanzeigen damit geworben wird, dass die Tätigkeit auch von zu Hause ausgeführt werden kann. Der Grund hierfür ist ganz simpel: 

Ein zufriedener Mitarbeiter, ist ein produktiver Mitarbeiter.

Es gibt keinen Grund dafür, ausschließlich im Büro „zu hocken“. Immer mehr Angestellte wünschen sich eine ausgewogene Work-Life-Balance. Besonders für Eltern mit kleinen Kindern kann das Homeoffice das Leben enorm erleichtern. Im Umkehrschluss sind Eltern im Homeoffice für Rechtsanwaltskanzleien lukrativer als präsente. Denn sie müssen ihre Arbeit nicht wegen einer Schniefnase des Kindes vollständig niederlegen, sondern können sich – ggf. bei freier Zeiteinteilung – von zu Hause aus ihren Aufgaben widmen. Teilweise durften die Kinder bei leichten Symptomen weder die Kita, noch die Schule aufsuchen.

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„Hey Chef, Du musst mir das Homeoffice ermöglichen!“ 

Leider muss Dein Arbeitgeber Dir keinen Homeoffice-Arbeitsplatz einrichten. Es besteht aktuell kein gesetzlicher Anspruch darauf, seine geschuldete Leistung auch von zu Hause auszuführen. Der erste Entwurf des Mobile-Arbeit-Gesetzes sah einen solchen Rechtsanspruch noch vor, der sich im aktuellen Referentenentwurf fatalerweise nicht mehr wiederfindet. Auch ist die Rechtsprechung derzeit eindeutig: Es müssen triftige Gründe bestehen, weshalb der Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz im Homeoffice angewiesen ist. Andernfalls besteht kein Raum für solch einen Anspruch. Doch der fordernde Ton bringt sowieso eine Schieflage in das Vertragsverhältnis. Versuche auf Deinen Vorgesetzten einzugehen und zeige ihm die Vorteile auf: 

  • Erhöhte Motivation der Mitarbeiter 
  • Weniger Ausfälle 
  • Kosteneinsparungen 
  • Steigerung der Produktivität 
  • Kein Vorbeikommen an der Digitalisierung (lieber jetzt, als später anfangen) 
  • Gewappnet für künftige Ereignisse 

Vielleicht werdet ihr Euch ja einig. 
 

Durch die Corona-Pandemie hat das Homeoffice also auch in Rechtsanwaltskanzlei deutlich an Fahrt aufgenommen. Alte Klischees muss man ablegen und sich über die digitalen Möglichkeiten informieren. Das Wechselmodell sorgt bei Mitarbeitern für mehr Zufriedenheit und Flexibilität. Stimme Dich mit Deinem Vorgesetzten ab und halte eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes schriftlich fest.